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Einführung in den Frakturſatz Introduction to Fraktur Typeſetting

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Vorbemerkungen

Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein waren gebrochene Schriften im deutschsprachigen Raum weit verbreitet. Bücher, Zeitungen, Hinweisschilder und dergleichen waren meist in Fraktur gesetzt, während die Antiqua vor allem in der wissenschaftlichen Literatur Anwendung fand. Als Folge davon existiert ein umfangreicher Bestand an Literatur im Fraktursatz, die zum Teil von heutigen Generationen nur mit Mühe entziffert und gelesen werden kann. Das Ende der Frakturschrift wurde schließlich durch deren Verbot und Ächtung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1941 besiegelt.

Der Zweck dieser Seiten ist es, einige der Regeln, nach denen die Fraktur-Schrift gesetzt wird, zu erläutern, um dadurch zugleich einen großen Bestand an Wissen – den Großteil der deutschsprachigen Literatur der letzten Jahrhunderte – dem geneigten Leser zugänglich zu machen. Es sei an dieser Stelle angemerkt, daß die auf dieser Seite erläuterten Regeln die Situation der deutschen Sprache zu Beginn des 20. Jahrhunderts reflektieren. In anderen europäischen Sprachen und früheren Jahrhunderten wurden zum Teil deutlich abweichende Regeln für den Schriftsatz angewandt.

Grundſätzliches

Ebenso wie die heute weit verbreitete Antiqua ist auch die Fraktur lediglich eine Variante der lateinischen Schrift. Der Name „Fraktur“ deutet an, daß es sich um eine gebrochene Schrift handelt, bei der die Linien der Buchstaben in einem bestimmten Winkel aneinander angesetzt sind, anstatt, wie im Falle der Antiqua, durch Rundungen ineinander überzugehen. Als lateinische Schrift verfügt die Fraktur daher über die uns wohlbekannten 26 Buchstaben des lateinischen Alphabets:

Beispiel

Großbuchstaben: A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
Kleinbuchstaben: a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z

In vielen gebrochenen Schriften wird jedoch zwischen den Großbuchstaben I und J nicht unterschieden und für beide dasselbe Zeichen (J) benutzt. Die Unterscheidung zwischen dem Vokal I und dem Konsonanten J hat sich erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts eingebürgert.

Das s im Frakturſatz

Eine auffällige Eigenschaft der Frakturschrift ist die Verwendung zweier verschiedener Formen des Klein­buch­stabens s: Neben dem uns aus der Antiqua bekannten runden s (geschrieben: s) wird in der Fraktur auch das sogenannte lange s (geschrieben: ſ) benutzt. An dieser Stelle ist zu betonen, daß das lange s keine besondere Eigenschaft der Fraktur ist, sondern auch in anderen lateinischen Schriften wie der Antiqua existiert (als ſ geschrieben). Allerdings wurde das ſ im Antiquasatz schon vor langer Zeit weitgehend durch s ersetzt, während es sich im Fraktursatz bis heute erhalten hat.

In modernen Texten in gebrochener Schrift werden die zwei Formen des s oft falsch benutzt, obwohl die Anwendungsregeln nicht allzu kompliziert sind. Das runde s wird ausschließlich im Auslaut einer Silbe benutzt, während das lange ſ im Anlaut oder inmitten einer Silbe auftritt:

Beispiel

Rundes s: Beweis, Haus, ausbreiten, Busfahrer
Langes s: ſelten, ſicher, roſig, waſchen, wachſen

Für die korrekte Schreibung ist es somit notwendig, die richtige Zerlegung eines Wortes in Silben zu kennen. So schreibt man beispielsweise Teleſkop (wegen Tele-skop); Donnerstag (wegen Donners-tag); Wachſtube (Wach-Stube), aber Wachstube (Wachs-Tube); Verſendung (eines Briefes), aber Versendung (das Ende eines Verses). Vorsicht ist geboten bei bestimmten, als eingedeutscht geltenden Fremdwörtern; so schreibt man beispielsweise grotesk (von ital.: grottesco) und Obelisk (von gr.: ὀβελίσκος).

Insbesondere auf Schildern von Restaurants und Gaststätten findet man oft falsche Schreibweisen. Nach dem zuvor gesagten lauten die korrekten Schreibweisen folglich Gaſtſtätte, Reſtaurant, Bierſtube, Brauhaus, Wirtshaus (aber Brauhäuſer, Wirtshäuſer), und so fort.

Das Doppel-s nach kurzem Vokal wird in der Frakturschrift als ſſ geschrieben, wenn es inmitten einer Silbe steht und von Vokalen umgeben ist. Andernfalls wird die Ligatur ß (Antiqua: ß) benutzt:

Beispiel

Waſſer, müſſen, Fluß, haſſen, verhaßt, Nußknacker

Zu beachten ist, daß die sogenannte „Neue Deutsche Rechtschreibung“ mit diesen Regeln der Adelungschen s-Schreibung bricht und statt dessen die Heysesche s-Schreibung wieder einführt (Fluss anstelle von Fluß, verhasst anstelle von verhaßt). Da aber am Ende einer Silbe kein langes ſ stehen kann, muß im Falle der Heyseschen s-Schreibung am Silbenende ſs anstatt ß gesetzt werden (also Fluſs, nicht aber Fluſſ oder Fluss). Um der Lesbarkeit Willen empfiehlt es sich, im Fraktursatz grundsätzlich die Adelungsche s-Schreibung beizubehalten.

Für das stimmlose s nach langem Vokal oder Diphthong wird immer die Ligatur ß geschrieben: Gruß, fließen, fleißig, äußern, Maße (nach langem a), aber Maſſe (nach kurzem a). Aus dem Gesagten folgt, daß es selbstverständlich kein „großes ß“ gibt – auch wenn gelegentlich andere Meinungen zu diesem Thema geäußert werden – da die Ligatur ß aus den s-Lauten ſz und ſs hervorgegangen ist. Um Mißverständnisse im Antiqua-Versalsatz zu vermeiden, empfehlen ältere Ausgaben des Duden, die Ligatur ß schlicht wieder in SZ aufzubrechen, bei­spiels­weise in STRASZE (statt Straße), MASZE (statt Maße), aber MASSE (statt Masse).

Ligaturen und Sperrungen

Einige Zeichenfolgen werden im Fraktursatz als Ligatur (zusammengesetzte Buchstaben) gesetzt. Dies hat zum einen ästhetische Gründe und erleichtert zum anderen die Arbeit des Schriftsetzers, der dadurch weniger Lettern zu setzen hat. Zu unterscheiden ist zunächst zwischen optionalen und zwingenden Ligaturen. Einige Buchstaben­kombinationen werden im Fraktursatz grundsätzlich als Ligatur gesetzt. Dies sind ch (c‌hch), ck (c‌kck), tz (t‌ztz), ſt (ſ‌tſt), sowie in bestimmten Situationen ſz and ſs (ſz/ſsß in beiden Fällen). Im Falle des ß ist die Verbindung so stark, daß die Ligatur als eigenständiger Buchstabe empfunden wird und in der Form ß auch in die Antiqua übertragen wurde. Weitere Ligaturen sind optional und können je nach Geschmack eingesetzt werden, bei­spiels­weise fi (fi) oder ff (ff).

Ligaturen dürfen aber grundsätzlich nur dann gesetzt werden, wenn die entsprechenden Buchstaben Teil desselben Morphems sind. Gehören die beiden Buchstaben zu zwei unterschiedlichen Morphemen, so dürfen diese nicht durch eine Ligatur verbunden werden:

Beispiel

Mit Ligatur: Lebkuchen, Rücken, Katze, Meiſter, Flußufer, Süßigkeit
Ohne Ligatur: Comic‌heft, Cognac‌keller, Brot‌zeit

Vorsicht ist wiederum bei bestimmten eingedeutschten Fremdwörtern sowie Namen aus anderen Sprachen geboten; so schreibt man beispielsweise, in Anlehnung an die Aussprache, inſzenieren (von gr.: σκηνή), obſzön (von lat.: obscoenus) oder Ranic‌ky. Eine weitere, wichtige Regel in Bezug auf Ligaturen besagt, daß Zwangsligaturen in gesperrten Wörtern nicht aufgebrochen werden dürfen. Man schreibt also Katze (niemals Kat‌ze) oder ckſchrit‌t (niemals c‌kſc‌hrit‌t). Alle optionalen Ligaturen, wie zum Beispiel f‍f, werden hingegen aufgebrochen und gesperrt, man schreibt also Af‌fenzahn und nicht Af‍fenzahn. Sperrungen werden im Fraktursatz generell für die Hervorhebung von Wörtern benutzt, während es eher unüblich ist, für diesen Zweck fette Lettern zu verwenden. Schräggestellte oder kursive Formen der Fraktur existieren nicht, so daß die Sperrung die übliche und oft einizige Form der Hervorhebung ist. Leerzeichen müssen ebenfalls gesperrt werden; gleiches gilt für Satzzeichen mit Ausnahme des Punktes und der Anführungszeichen. Es ist üblich, für Sperrungen ein schmales Leerzeichen zu verwenden, falls dieses zur Verfügung steht.

Antiqua im Frakturſatz

Es ist gemeinhin üblich, bestimmte Wörter im Fraktursatz in Antiqua zu setzen. Dies ist allgemein der Fall für alle Fremdwörter aus romanischen Sprachen, die nicht als eingedeutscht gelten. Gelegentlich werden auch Fremdwörter oder Eigennamen aus anderen Sprachen, wie zum Beispiel dem Englischen, in Antiqua gesetzt. Gleiches gilt für einige andere Dinge, zum Beispiel bestimmte Abkürzungen und Akronyme sowie physikalische Größen und Einheiten.

Beispiel

Der Präſident hat den Status eines primus inter pares und wird vom Volk direkt gewählt.
Die Erde hat einen Äquatordurchmeſſer von 12756 km und rotiert in ungefähr 24 h um die eigene Achſe.

Treten im Text Anführungszeichen auf, so ist für diese die reguläre, im gesamten Text benutzte Form zu wählen. Eine Ausnahme ist die Übertragung ganzer Sätze aus einer anderen Sprache. In diesem Fall wird die in der zitierten Sprache übliche Form der Anführungszeichen benutzt.

Die Benutzung der Antiqua für Fremdwörter beruht allein auf Konvention und der verbreiteten Assoziation der Antiqua mit der lateinischen Sprache. Es gibt keinen triftigen Grund, weshalb Fremdwörter nicht auch in Fraktur gesetzt werden könnten, da die Fraktur ohnehin nur eine Variante der lateinischen Schrift ist.

Schlußbetrachtungen

Ich hoffe, daß mit den Erläuterungen auf dieſer Seite die Regeln für die Verwendung der Fraktur klarer geworden ſind. Viele der verbreiteten Fehler und Mißverſtändniſſe laſſen ſich durch die Kenntnis einiger weniger Grundſätze leicht vermeiden. Durch die Verbeſſerung der Unterſtützung von Unicode und die allgemeine Verbreitung der notwendigen Schriftarten laſſen ſich Frakturſchriften heute ohne Schwierigkeiten auf verſchiedenen Computern und Internetſeiten darſtellen (wie dieſes Beiſpiel belegen ſoll). Ob dies der Lesbarkeit der Seite zuträglich iſt, möge dahingeſtellt ſein. Die Frakturſchrift wurde urſprünglich primär für den Buchdruck entwickelt und iſt für die Darſtellung auf Computer-Bildſchirmen daher weder konzipiert noch geeignet (wie dieſes Beiſpiel wohl ebenfalls belegt).

Wie anfangs bemerkt, handelt es ſich bei der Fraktur um eine Variante der lateiniſchen Schrif‌t. Aus dieſem Grunde iſt die Fraktur nicht geſondert im Unicode-Zeichenſatz kodiert (mit Ausnahme mathematiſcher Franktur-Symbole), ſondern wird den normalen lateiniſchen Buchſtaben von A bis Z gleichgeſetzt. Um Frakturſatz darzuſtellen, benötigt man alſo eine entſprechende Schrif‌tart. Viele Frakturſchriftarten ſind heute frei erhältlich, wobei es aber große Unterſchiede in der Qualität und der Unterſtützung der notwendigen Zeichen und Ligaturen gibt. Ein großes Problem hierbei iſt, daß einige der Zwangsligaturen (wie ch oder tz) keine Unicode-Kodierung beſitzen, ſo daß oft andere, voneinander abweichende Kodierungen für dieſe Zeichen benutzt werden, was wiederum zu Inkompatibilitäten zwiſchen den unterſchiedlichen Schriftarten führt. Dieſes Problem iſt allerdings durch die zunehmende Verwendung und Unterſtützung des OpenType-Formats nicht mehr allzu gravierend, da Webbrowſer wie Mozilla Firefox oder Chromium inzwiſchen die automatiſche Erzeugung von Ligaturen in OpenType-Schriftarten beherrſchen (wovon auf dieſer Seite Gebrauch gemacht wurde).

Literatur & Referenzen